Kunst ist Ästhetik, Kunst muss aber auch Inhalt haben, um interessant zu sein.
Das Wort interessant, aus dem Lateinischen „inter esse“, bedeutet „zwischen sein“. Es geht also darum, dass sich etwas dazwischen befindet oder etwas vorgeht, das heißt zwischen Künstler und Publikum. Der Inhalt eines künstlerischen Werkes wird als Ausgangspunkt vom Künstler in das Werk gelegt. Dazu kann das Publikum ebenfalls etwas beitragen. Falls aber das Publikum allein die Arbeit macht, hat der Künstler seine Aufgabe nicht erfüllt.
Künstler und Publikum
Künstler wollen natürlich gern ihre Bilder und Werke verkaufen.
Kunst ist Kommunikation. Kommunikation kann nur dann stattfinden, wenn zwei Parteien mitmachen. Das Mitmachen und die Verantwortung für die Kommunikation kann trotzdem ungleich verteilt werden. Geht es um einen professionellen Künstler und sein Publikum, übernimmt der Künstler normalerweise einen Großteil dieser Verantwortung. Das Publikum trägt z. B. dazu bei, dem Werk eine zweite Chance zu geben, das zunächst unverständlich erscheint.
Bewusst und Unterbewusst
Ich halte es für eine künstlerische Aufgabe, sehen zu können, was andere üblicherweise nicht sehen. Was der Künstler wahrnimmt, drückt er in seinem Werk aus.
Dem Psychologen Carl Gustav Jung zufolge, kann das Unterbewusstsein gefährlich sein. Jung hat das Unterbewusstsein mit einer Höhle voller Bären verglichen. Man dürfe nicht ohne weiteres in das Unbewusstsein eindringen.
Kunst nimmt dennoch auf sanfte Weise Einfluss auf das Unterbewussten. Der Künstler kann auch ausdrücken, was er unterbewusst empfindet. Das trifft in manchen Fällen zu. Der Zuschauer kann den Inhalt bewusst oder auch unbewusst annehmen.
Kommunikation mit zum Teil unterbewusstem Inhalt findet man auch in Werbung. Es gibt auch weitere Ähnlichkeit zwischen Kunst und Werbung, aber auch mindestens einen wichtigen Unterschied. Ähnlich ist, dass sie sich beide für die Sehnsucht der Menschen interessieren. Sie wollen an diese anknüpfen. Wenn man das Ersehnte eines Menschen berührt, kann man auch dessen Benehmen beeinflussen, leicht oder gelegentlich stärker. Dass Kunst und Werbung auch unterschiedlich sind, ist offenbar. Werbung will Geld, und schämt sich auch nicht dafür. In der Kunst stellt sich diese Frage komplizierter. Man kann sich künstlerisch nur ausdrücken wenn man etwas zu sagen hat, das sich aus dem eigenen Leben ergibt. Eine Auseinandersetzung zwischen was man zu sagen hat, und was sich verkaufen/finanzieren lässt, entsteht. An diese Auseinandersetzung muss sich jede Künstler verhalten.
Was sieht man?
Es kann frustrierend sein, ein Bild anzusehen, auf dem man gar nichts erkennt.
Manche ziehen ein Bild vor, in dem man etwas Figürliches erkennen kann, z. B. die Gestalt eines Menschen. Obwohl man eine Gestalt gleich wahrnehmen kann, besteht aber die Frage worum das Bild handelt. Klassische Bilder mit klaren Figuren können intrikate Geschichten mit symbolischem Inhalt und mythologischen Hinweisen erzählen. Einfacher wäre die Stimmung eines modernen abstrakten Bildes zu empfinden.
Herausforderung
Ich fordere gern heraus. Eine Herausforderung kann angenehm oder unangenehm sein. Man wird etwa gedrängt neu zu denken, was man bisher für klar gehalten hat.
Wer einen Kontakt als unangenehm empfindet, hat wohl das Recht, sich zurückzuziehen. Im Gegensatz dazu darf man stark herausfordern und Menschen unter Druck setzen, sobald es in einem beruflichen Kontext stattfindet. In öffentlichen Debatten werden Politiker, Beamten und z. B. der Geschäftsführer eines in den Focus der Öffentlichkeit geratenen Unternehmens, unter Druck gesetzt. Diejenigen, die herausfordern, sind in diesem Falle auch Professionelle, etwa Journalisten.
Wenn es aber einfach darum geht, als Mensch einen anderen Mensch herauszufordern, gelten andere Regeln.
Meiner Meinung nach sind wir von Herausforderungen abhängig, um an ihnen wachsen zu können. Wenn wir einander gegenüber nur angenehm auftreten, bleiben wir, wo wir sind.
Begreifbar und nicht begreifbar
Inhaltsleeres kann besonders schön oder großartig inszeniert werden. Wir kennen die Geschichte: Des Kaisers neue Kleider.
Es gibt aber einen Übergang von dem, was als gut verständlich erscheint, zu dem ganz Unverständlichen. Dieser Übergang kann eine fruchtbare Zone sein. Was man hier findet, kann Kunst sein, die noch nicht verstanden wird. Sich in dieser Zone aufzuhalten und zu bewegen, ist doch schwierig – nicht nur für das Publikum, sondern auch für Kunstkritiker und für den Künstler selbst.
Dem norwegischen Künstler Håkon Bleken (1929-) zufolge erschöpft sich ein Bild über die Zeit. Manche Bilder erschöpfen sich schnell, andere sind langlebiger.
Kindlichkeit und Erwachsensein in der Kunst
Nach drei Jahren üben konnte ich wie Raphael malen, sagte Picasso, um aber wie ein Kind zeichnen zu können, musste ich ein ganzes Leben üben.
Die Unmittelbarkeit eines Kindes lässt sich nur schwer kopieren. Die kindliche Spontanität, die möglicherweise weg wurde, wieder in seine Arbeit einzulassen, wäre Teil der Bildung als Künstler. Ein Künstler versucht, das Kindliche mit Ordnung zu kombinieren. Kunst mit deutlich kindlichen Zügen kann wie Kritzelei aussehen. Gute Kunst hat jedoch Ordnung. Welchen Regeln zufolge, ist eine andere Frage, die man nicht immer beantworten kann. Ein geübtes Auge ist doch in der Lage, zwischen Kunstwerken zu unterscheiden, die zunächst chaotisch aussehen, weil sie insbesondere übliche Regeln nicht erkennen lassen (z. B. die Regelungen den wir folgen, wenn wir einen Grundriss machen, oder einen Tisch decken), aber Orden anderer Art haben, und behauptete Kunstwerken, die tatsächlich nur Kritzeleien sind.
In der Kunst werden stets Regeln gebrochen. Zu einem gewissen Grad ist das notwendig, denn jede Form und Ausdrucksweise veraltet und wird zum Auslaufmodell. Den norwegischen Maler Edvard Much (1863-1944), z. B., kann man heute immer noch bewundern. Es macht aber keinen Sinn, in der Gegenwart zu malen, wie er. Regeln werden gebrochen, aber neue aufgestellt. Wer nur bricht, ohne Neues zu schaffen, kann kein Künstler sein.
„Ich bin ein Kunstwerk“
Sollte ein Kunstwerk, z. B. ein Bild, wie Kunst aussehen? Diese Frage kann man für sinnlos halten. Ich stelle die Frage dennoch, um Ehrlichkeit in Zusammenhang mit Kunst zu erörtern.
Sobald ein Künstler, beispielsweise beim Malen eines Bildes, darauf achtet, dass sein Bild wie Kunst aussehen soll, ist er bereits auf dem Irrweg. Das Publikum, welches Entsprechendes versucht, also Kunst sehen will, oder vielleicht kaufen, die „wie Kunst aussieht“, ebenfalls.
Um das oben Erwähnte näher zu erläutern, mache ich einen Vergleich. Was bedeutet es, Kellner zu sein? Von einem Kellner in einem Restaurant oder Café erwartet man, dass er höflich, freundlich und effizient ist. Gelegentlich entsteht dennoch Zweifel über das passende Benehmen des Kellners. Der Zweifel kann jedoch nicht dadurch beseitigt werden, „deutlicher“ als Kellner aufzutreten. Auffallend freundlich zu sein oder übertriebene Bewegungen würde nicht überzeugen, sondern eher an Charly Chaplin erinnern.
Eventueller Zweifel an seinem Werk kann vom Künstler nicht dadurch beseitiget werden, das Bild mit angenommenen Kennzeichen eines Kunstwerkes auszustatten. Ein Bild wird nicht dadurch künstlerisch, dass es z. B. diffuser gemacht wird, obwohl es sich dadurch von anderen bildlichen Ausdrücken wie Werbung und Logos unterscheiden würde. Auch keine anderen besonderen Züge, wie ungewöhnliche Proportionen oder besondere Farben, würden allein ein Bild zu Kunst machen. Ein gutes Bild hat Inhalt. Es sollte auch pointiert sein, d. h. ohne „Geräusch“ und ohne Totpunkte. Kunst soll Leben und Wahrheit ausdrücken und dazu gern herausfordern. Dies in einem Bild vereint, wäre es Kunst. Ein ehrliches, unprätentiöses Bild kann man mögen und sogar lieben. Von einem Werk aber, das laut oder einschmeichelnd „Ich bin Kunst“ signalisiert, ist Abstand zu halten.
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